Sie sind hier: Startseite  

KAPITEL 1
 

A World Without Heroes


Gina hatte die Nase voll. Seit sie ein Baby war, lebte sie nun in diesem Heim. Es war für sie der schlimmste Ort, den man sich vorstellen konnte. Sie wurde über die Jahre öfter einmal adoptionswilligen Eltern vorgestellt, doch zu einer Adoption kam es nie, denn Gina war ein ziemlich wildes Kind.



Mit zunehmendem Alter steigerte sich das auch noch. Gina wurde immer rebellischer, war kaum noch zu bändigen.



Und nun hielt sie es nicht mehr aus. Sie wollte weg. Immer dieser Stress mit der Heimleiterin! Stubenarrest! Gina schnaubte vor Wut! Und das nur, weil sie versehentlich beim Spüldienst zwei oder drei Teile hatte fallen lassen. Was musste diese blöde Kuh von Jasmin sie auch an die Heimleitung verpetzen?!



Schließlich fasste Gina den Entschluss, dass sie fliehen wollte.



So raffte sie die nötigsten Sachen zusammen und stieg durchs Fenster nach draußen.
Gina hatte Glück, dass ihr Zimmer im Erdgeschoss lag undzum Hinterhof führte. Das vereinfachte ihre Flucht ungemein.
Sie schnappte sich ihre Tasche, kletterte aus dem Fenster und machte sich leise aus dem Staub.



Geschafft! Sie hatte das Heimgelände verlassen und rannte, so schnell sie konnte, die Straße entlang.



Erst als sie sicher sein konnte, außer Sichtweite zu sein, blieb Gina für einen Moment stehen, um zu verschnaufen. Sie lächelte vor sich hin. Endlich war sie frei. Frei!!!!! Was für ein Gefühl. Doch dann wurde sie wieder ernst. Sie fragte sich:"Und was fange ich jetzt mit meiner Freiheit an?"
Sie hatte nichts mehr, als die Kleidung, die sie am Leib trug, die Sachen, die sie in Windeseile zusammengesucht hatte und sie hatte einen Mordshunger.
Aus Protest überdiese Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren war, hatte sie nämlich das Essen verweigert. Und Gina hatte kein Geld.
Na toll, ging es ihr durch den Kopf. Und nun? Wie soll es jetzt weitergehen? Wie kann man denn aber auch so dumm sein, abzuhauen und nicht mal Geld dabei zu haben? Gina war frustriert. Sie lehnte sich an eine Hausmauer und starrte nachdenklich vor sich hin. Betteln kam für sie nicht in Frage, da war sie sich sicher. Und stehlen schon einmal gar nicht. Doch wie sollte sie mit ihren gerade mal 12 Jahren Geld verdienen? In ihrer Verzweiflung rutschte sie langsam an der Mauer herunter undblieb auf dem Boden hocken. Tränen schossen ihr in die Augen.
Ihre Gedanken schossen ihr wild durch den Kopf. Sie hätte vielleicht doch im Heim bleiben sollen; zumindest hätte sie sich gegen all die Ungerechtigkeit wehren sollen. Nein, so stark war sie nun auch wieder nicht, dass sie sich hätte durchsetzen können. Und überhaupt Freunde hatte sie auch keine. Sie war immer schon ganz alleine und auf sich gestelltgewesen. In ihrer Welt gab es nun mal keine Helden!



Gina wurde plötzlich jäh aus ihren Überlegungen gerissen, als sie von einem Mädchen angesprochen wurde:"Entschuldigung, kann ich Dir irgendwie helfen?" Dieses Mädchen war Shandi. Sie war ca. 1½ Jahre jünger als Gina und lebte selber bei Adoptiveltern. Nun stand sie vor Gina und bot ihr ihre Hilfe an. Gina wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Doch dann kam wieder ihre eigensinnige Seite hervor. Sie lehnte ab mitden Worten:"Wie willst du Dreikäsehoch mir denn helfen?" Shandi zuckte mit den Schultern und antwortete:"Na, dann eben nicht." Dann ging sie ein Stück weiter, ohne Gina noch in irgendeiner Weise zubeachten. Das gefiel Gina nun auch wieder nicht und sie rief Shandi hinterher:"Hey, warte doch!" Sie rannte ihr nach. Shandi blieb tatsächlich stehen und sah Gina erwartungsvoll an und fragte sie:"Na, kommst du nun mit?" Gina wollte wissen:"Und wohin?" Shandi lächelte:"Na, wie wäre es denn, wenn wir erst mal irgendwo einen Kakao trinken? Und wenn du magst, können wir auch noch eine Kleinigkeit essen. Ich lade Dich auch ein." Gina antwortete:" Das hört sich gut an." Und so folgte sie Shandi ins nächste Café.
Auf dem Weg dorthin wurde Gina auf einmal bewusst, dass sie gar nichts über das Mädchen wusste, dem sie da folgte und so fragte sie:"Wie heißt du eigentlich? Shandi lächelte:"Der Dreikäsehoch heißt Shandi." Gina wurde verlegen. Ihre Überheblichkeit tat ihr schon längst wieder leid, denn eigentlich fand sie Shandi ganz nett. Shandi fragte:"Und mit wem habe ich dasVergnügen?" Gina entgegnete:"Ich heiße Gina." Dann sah sie Shandi ernst an und fragte:"Darf ich dir etwas anvertrauen? Shandi nickte. Gina fuhr fort:"Ich bin ausgebüchst. Aus dem Kinderheim hier im Ort. Aber ich will nicht dahin zurück. Es ist echt ätzend da." Shandi war ein wenig erschrocken. Eigentlich mochte sie Gina und sie hatte auch vorgehabt, ihr anzubieten, für eine oder zwei Nächte bei ihr zu übernachten. Doch wie sollte sie ihren Adoptiveltern denn erklären, dass sie ein Mädchen aus dem Heim mit nach Hause brachte?
Gina erzählte Shandi unterdessen weiter ihre Lebensgeschichte und Shandi hörte aufmerksam zu. Dann erzählte Shandi Gina vonsich und wie sie zu ihren Adoptiveltern gekommen war. Gina grinste:"Mann, da hast du aber ganz schönes Glück gehabt, dass du schon als Baby jemanden gefunden hast, der dich haben wollte." Dann wurde sie wieder traurig:"Ich hatte dieses Glück nicht. Ich war den Leuten wohl anfangs zu hässlich und später zu aufmüpfig." Shandi lachte:"Ja, klar. Du bist ja auch sooo hässlich." Gina gab Shandi einen leichten Schubs und sagte schmunzelnd:"Hey, sieh Dich vor. Du bist ganz schön frech." Die beiden Mädchen lachten. Gina fühlte sich nach langer Zeit wohl. Da war jemand, der sie so zu mögen schien, wie sie war. Im Café ließen sie sich den Kakao und ein Stück Kuchen schmecken.



Anschließend nahm Shandi Gina, entgegen aller anfänglichen Zweifel, doch mit zu sich nach Hause.



Dort angekommen, wurden die zwei von Shandis Adoptiveltern empfangen und Shandi stellte ihnen Gina vor.
Shandis Mutter wollte natürlich wissen, mit wem sie es da zu tun hat. Und so erzählte Gina ihre Geschichte erneut. Begeistert waren Shandis Adoptiveltern nicht gerade, dass Gina ausgerissen war. Sie befürchteten, dass das Jugendamt bald kommen und sie wieder abholen würde. Dann aber sagte Shandis Adoptivvater:"Aber für ein paar Tage kannst du schon hier bleiben. Wie es dann weitergeht, werden wir dann sehen." Shandi und Gina jubelten.



In dieser Nacht konnte Gina lange Zeit nicht einschlafen. Sie dachte über den vergangenen Tag nach, der doch so schlimm für sie angefangen hatte:"Eigentlich müsste ich dieser ollen Petze ja dankbar sein. Ohne die wäre ich wohl noch nicht abgehauen. Und dann hätte ich Shandi nicht kennen gelernt. Sie ist echt ein tolles Mädchen. Lädt mich einfachso ins Café ein und nimmt mich einfach so mit zu sich. Die Welt ist zwar immernoch ohne wirkliche Helden, aber immerhin habe ich eine Freundin gefunden."



Mit diesen Gedanken schlief sie tief und fest ein.




Vorwort | Kapitel 2